Unternehmen

09.12.2020
Alina Strickmann

Versorgung mit Kultursubstraten sichern

Runder Tisch mit Klasmann-Deilmann und BMEL

Mehr alternative Ausgangsstoffe, weniger Torf. Klasmann-Deilmann hatte zum Runden Tisch mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eingeladen, um Chancen und Grenzen der langfristigen Entwicklung zu erörtern. Hintergrund waren die Torfminderungsstrategie des Ministeriums und die darauf bezogene Selbstverpflichtung der deutschen Substrathersteller. Die Zielvorstellungen beider Seiten zur Reduktion der Torfanteile in Substraten gehen nach wie vor auseinander.

Während der Online-Konferenz trugen Fachleute von Klasmann-Deilmann, BMEL, Zentralverband Gartenbau (ZVG) und Industrieverband Garten (IVG), dem Branchenverband Growing Media Europe (GME), dem Thünen-Institut und der Politik ihre Standpunkte vor und diskutierten die Sachlage. Gastgeber waren Moritz Böcking, Geschäftsführer der Klasmann-Deilmann-Gruppe, und Dr. Thomas Schmidt, Ministerialrat für Gartenbau und Landschaftsbau im BMEL.

Moritz Böcking erinnerte daran, dass die Substratbranche in langfristigen Rohstoff- und Produkt-Zyklen arbeitet und in einem geschlossenen Wertschöpfungskreis wirtschaftet, der weitgehend unabhängig von außereuropäischen Importen ist. Dies mache die Branche zu einem sehr zuverlässigen Partner in allen Gartenbausegmenten und erhöhe auch die Widerstandskraft gegenüber Krisen wie der Corona-Pandemie. „Unsere Substrate legen weltweit die sichere Grundlage für eine gesunde Ernährung. Unsere Branche ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren der europäischen Farm-to-Fork-Strategie“, so Moritz Böcking.

Dr. Thomas Schmidt bestätigte, dass die Substratbranche zur „kritischen Infrastruktur“ in Europa zähle. Zugleich unterliege sie wie jeder Wirtschaftszweig den Bestrebungen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland, Emissionen zu senken. Im Falle der Substratbranche sei davon insbesondere die Torfgewinnung und -nutzung betroffen. Das BMEL setze bei der Umsetzung der „Torfminderungsstrategie“ auf die Freiwilligkeit der Branche, einen transparenten Prozess und einen „bruchfreien Übergang“.

Unterschiedliche Sichtweisen bei Chancen und Risiken

In den Fachbeiträgen ging es um die Entwicklungen im Natur- und Klimaschutz, den zunehmenden Einsatz von alternativen Ausgangsstoffen und die Akzeptanz torfreduzierter Substrate im Produktionsgartenbau. Kontrovers wurden die Emissionen aus der Torfgewinnung und -nutzung diskutiert, bei denen unterschiedliche Berechnungsansätze und Quellen zu weit auseinander liegenden Ergebnissen führen. Gegensätzlich blieben auch die Meinungen, ob Holzrohstoffe, Grünkompost und andere alternative Ausgangsstoffe langfristig in ausreichenden Mengen und in der benötigten Qualität verfügbar sein werden.

Cecilia Luetgebrune, Geschäftsführerin der GME in Brüssel, warb dafür, torfbasierte Kultursubstrate nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Klimawirksamkeit zu betrachten. „Die politische Debatte scheint zu ignorieren, dass Kultursubstrate – torfbasiert oder nicht – aktiv zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen, indem sie den Einsatz von Ressourcen wie Wasser, Dünger und chemischem Pflanzenschutz im Gartenbau verringern, großflächige Aufforstung ermöglichen und unsere Städte und Lebensräume grüner machen.“ Sie betonte, dass Kultursubstrate eine Schlüsselrolle bei der europaweiten Transformation zu einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion spielen.

Dr. Hans Joachim Brinkjans, stellvertretender Generalsekretär des ZVG, warnte vor Wettbewerbsverzer­rungen durch nationale Alleingänge beim Einsatz von Torf. „Der deutsche Produktionsgartenbau unterliegt einem scharfen europäischen und internationalen Wettbewerb. Gemüse, Obst, Speisepilze sowie Zier- und Baumschulpflanzen zählen zu den besonders preissensitiven Produkten, die dem Diktat des Handels unter­liegen. Erhöhte Herstellungskosten durch teure torfreduzierte Substrate gehen zu Lasten der Gartenbau­betriebe. Wichtig ist es, stufenweise und unter Beachtung der Marktbedingungen Torfanteile zu mindern.“

Am Ende der Veranstaltung stand ein vorläufiges Fazit. „Torfminderung ist eine echte Herausforderung für alle Beteiligten,“ so Dr. Thomas Schmidt. „Die Substratindustrie muss heute beginnen, die Rohstoffbasis für ihren Absatz in zehn Jahren aufzubauen. Wir sollten diese Chance für den Klimaschutz nicht verpassen.“ Moritz Böcking entgegnete: „Substratbranche und Politik stehen gleichermaßen in der Pflicht. Statt einer Torfminderungsstrategie brauchen wir einen verbindlichen Maßnahmenkatalog, um den Zugriff der Substratindustrie auf alternative Rohstoffe zu sichern und die Versorgung der Gartenbaubetriebe mit zuverlässigen Produkten zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang muss die Nutzung von einheimischem und importiertem Torf auf dem jeweils notwendigen Niveau erhalten bleiben, um Funktionalität und Qualität der Kultursubstrate zu sichern.“

Trotz der unterschiedlichen Ansichten waren sich die Beteiligten darin einig, dass es einer gemeinsamen Anstrengung bedarf, um die Versorgung mit Kultursubstraten langfristig zu sichern. Um an diesen Themen weiter zu arbeiten soll es im kommenden Jahr eine Folgeveranstaltung geben.

Bundesministerium drängt auf deutlich geringeren Torfeinsatz

Hintergrund der Konferenz waren die Klimaschutzziele 2030 der deutschen Bundesregierung. Im Zuge ihrer Umsetzung sollen auch die inländische Torfgewinnung und die Nutzung von Torf in Kultursubstraten reduziert werden. Klasmann-Deilmann und die im Industrieverband Garten organisierten Substrathersteller verabschiedeten vor diesem Hintergrund im Jahr 2020 eine Selbstverpflichtung. Darin sind Minderungsziele für den Torfeinsatz in Höhe von 50 % bei Blumenerden für den Konsumentenbereich sowie 20 % bei Kultursubstraten für den Produktionsgartenbau bis 2025 vorgesehen. Ab 2030 sollen 70 % Torf im Konsumentenbereich sowie 30 % Torf im Produktionsgartenbau durch alternative Ausgangsstoffe ersetzt werden. Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, würdigte die richtige Richtung der Bestrebungen seitens der Substratindustrie, mahnte aber höhere Minderungsziele an. Das Management verschiedener Baumarktketten wurde schriftlich zur gezielten Unterstützung der Minderungsziele aufgefordert. Als wesentliches Argument führte das BMEL zunächst an, dass Torfgewinnung und -nutzung für 2 % der jährlichen CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich sind. Nach Protesten der Substratbranche wurde die Angabe auf 0,2 % korrigiert.