Kompetenzen | Nachhaltigkeit

29.03.2023
Dirk Röse

Kunden eng begleiten

800.000 m³ alternative Ausgangsstoffe im Substrat

Die Substratindustrie in Europa vollzieht einen grundlegenden Wandel. Der wichtigste Rohstoff Torf wird zunehmend durch alternative Ausgangsstoffe abgelöst. Die Hersteller investieren daher in neue Produktionsanlagen und Ressourcen sowie Forschung und Entwicklung. Umstellen müssen sich auch die Gartenbaubetriebe. Zu den Fortschritten in dieser Entwicklung äußert sich Dr. Sebastian Kipp, Leiter der Produktentwicklung bei Klasmann-Deilmann.

Jahrzehntelang war der Gartenbau auf Torf eingestellt.

Kipp: Tatsächlich kann man von einer Symbiose sprechen, die alle kulturtechnischen Faktoren betrifft. Aber jetzt stellt sich die Substratbranche neu auf. Weniger Torf, mehr Alternativen. Klasmann-Deilmann entwickelt eine neue Produktgeneration, die bisherige Torfkultursubstrate eins zu eins ersetzen kann.

Wird das gelingen?

Kipp: Ja, bis zu einem sehr hohen Grad, aber nicht vollständig. Viele Betriebe sammeln bereits Erfahrung mit diesen neuen Substraten. Sie wissen, dass sie ihre Kulturverfahren nachjustieren müssen, so z. B. bei der Düngung und beim Wassermanagement. An diesen Punkten begleiten wir jeden einzelnen Kunden sehr eng. Die sogenannte Torfminderungsstrategie der Bundesregierung betrifft ja nicht allein die Substratbranche, sie betrifft vor allem die Gartenbaubetriebe. Darin liegt eine große Chance für unsere Kunden. Betriebe, die ihre nachhaltige Entwicklung jetzt voranbringen, werden zukünftig von Wettbewerbsvorteilen profitieren.

Worin liegen die großen Herausforderungen?

Kipp: Klasmann-Deilmann hat im vergangenen Jahr mehr als 800.000 m³ alternative Ausgangsstoffe in Kultursubstraten genutzt. Das ist eine sehr beachtliche Menge und wir wollen sie in den kommenden Jahren stetig weiter steigern. Ende 2025 soll unsere internationale Jahresproduktion zu 30 % aus alternativen Substratkomponenten bestehen, vor allem Holzfasern, Grünkompost, Rinden, Kokos und Perlite. Die Herausforderung liegt in der Sicherung von Ressourcen. Wir setzen daher verstärkt auf europäische Partnerunternehmen wie Olde Bolhaar, die auf Holz und Kompost spezialisiert sind. Aber auch in Übersee schaffen wir neue Ressourcen für den dort zunehmenden Substratbedarf, damit europäische Rohstoffe in Europa bleiben können und den hiesigen Kunden zur Verfügung stehen. Der Ausbau zuverlässiger Stoffströme hat eine globale Dimension.

Alternative Ausgangsstoffe sind demnach auch international ein Thema.

Kipp: Es geht eher um die Frage, wie ernst ein Produzent die Nachhaltigkeit seiner Produkte nimmt. Es ist nicht glaubwürdig, wenn wir in Deutschland Torf reduzieren und in Übersee weiterhin nur auf Torf setzen. Deshalb haben wir unser internationales Kernsortiment neu definiert. Jedes Substrat unserer ADVANCED-Produktlinie beinhaltet einen ausgewogenen Anteil alternativer Ausgangsstoffe. Was in Deutschland oder Europa hervorragend funktioniert, bringen wir auch international voran. Unsere ADVANCED-Substrate sind überall in der Welt leistungsstark, kultursicher und deutlich nachhaltiger. Tatsächlich sind wir überrascht, wie rasant die Nachfrage nach der neuen Substratgeneration steigt.

Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang?

Kipp: Die neuen Substrate verursachen 20 % bis 80 % weniger Emissionen. Aufgrund der leichteren Rohstoffe fallen durch Ladungsoptimierung auch beim Transport weniger Schadstoffe an. Für den Klimaschutz ist das ein spürbarer Fortschritt. Außerdem setzen wir weitgehend auf nachwachsende Rohstoffe, und folgen damit natürlichen Kreisläufen.

Wie steht es um den vollständigen Verzicht auf Torf?

Kipp: Wir wissen, dass es auch auf längere Sicht nicht ohne Torf gehen wird. Torf bleibt ein Garant für erfolgreiche Kulturen, er trägt maßgeblich zur Effizienz der Gartenbaubetriebe bei. Darüber hinaus haben die zurückliegenden Corona-Jahre gezeigt, dass europäische Rohstoffe für die Lieferfähigkeit und Unabhängigkeit im hiesigen Gartenbau unersetzlich sind. Man darf Torf kritisch sehen, aber man sollte ihn nicht gänzlich verurteilen.

Und wie geht es weiter?

Kipp: Wir investieren. Klasmann-Deilmann ist das einzige Unternehmen, das in Deutschland eine neue Substratfabrik errichten wird, um den heimischen Markt effizient bedienen zu können. Weltweit sind mehrere Substratfabriken in Vorbereitung und bei allen planen wir mit großen Mengen nachwachsender Rohstoffe. In Deutschland sind wir außerdem Partner aller wichtigen Forschungsprojekte wie TerZ, TeiGa, ToSBa, TopGa oder ToKuBa, bei denen es um den Praxiseinsatz alternativer Rohstoffe in Substraten geht. Im Rahmen der anwendungsbezogenen Produktentwicklung führen wir darüber hinaus hunderte von Kulturversuchen und Forschungsprojekten durch, die uns weiter voranbringen. Unser Physikum und eigene Versuchsgewächshäuser bieten dafür das optimale Umfeld. In unserem Technikum steht modernste Gartenbautechnik von Trayfüllanlagen über Topfmaschinen bis hin zu Presstopflinien zur Verfügung, um neue Entwicklungsansätze schnell zur Produktreife zu bringen.

Was sagen Sie Ihren Kunden?

Kipp: Wir wissen, wie es geht. Auch bei der Entwicklung und dem Einsatz neuer Rohstoffe und Substrate bleiben wir ein zuverlässiger Partner. Unsere Kunden können sich darauf verlassen, dass sie von uns stets das maximal Mögliche bei maximaler Kultursicherheit bekommen.