Was ist eigentlich eine Kurzumtriebsplantage?
Im Gespräch mit Michael Diekamp
Kurzumtriebsplantagen (KUP) zum Anbau nachwachsender Rohstoffe sind ein wichtiger Baustein unserer Nachhaltigkeitsstrategie. In Geeste betreiben wir auf einer Testfläche eine KUP, mit deren Energieholz das Werk Nord in Sedelsberg betrieben wird. In Litauen bewirtschaften wir mittlerweile große Flächen, um eine nachhaltige Energiequelle bereitzustellen. Aber warum sind Kurzumtriebsplantagen überhaupt klimafreundlich und welche Auswirkungen haben KUP auf die Biodiversität und den Bodenschutz? Diese und weitere wichtige Fragen zum Themenkomplex beantwortete mir Michael Diekamp, der bei uns für die Bereiche Forst, KUP und Nachwachsende Rohstoffe zuständig ist.
Kim Karotki: Was ist eigentlich eine Kurzumtriebsplantage (KUP)?
Michael Diekamp: Eine Kurzumtriebsplantage ist eine Schnittstelle zwischen Land- und Forstwirtschaft, die ihre Vorläufer in der traditionellen Niederwaldbewirtschaftung hat. Konkret heißt das, dass auf einer landwirtschaftlichen Fläche Baumplantagen angelegt werden, um innerhalb einer kurzen Umtriebszeit Energieholz zu gewinnen. Die Umtriebszeit bezeichnet den Zeitraum von der Anlage der Plantage bis zur Ernte, dem sogenannten Holzeinschlag. Im Vergleich zum Wald ist die Umtriebszeit bei einer KUP wesentlich kürzer. In einem Wald geht man von einer Umtriebszeit von mindestens 100 Jahren aus, bei einer Kurzumtriebsplantage sind es im Durchschnitt lediglich drei Jahre. In der Landwirtschaft beträgt der Zeitraum von der Saat bis zur Ernte unter einem Jahr. Eine KUP kann nach heutigen Erkenntnissen 20 Jahre, also etwa sieben Erntezyklen lang, bewirtschaftet werden.
Kim Karotki: Welche Baumarten eignen sich besonders für die Bewirtschaftung einer KUP?
Michael Diekamp: Grundsätzlich ist jedes Holz ein Energieträger. Um sich für den Einsatz auf einer Kurzumtriebsplantage zu eignen, müssen die Baumarten jedoch bestimmte Kriterien erfüllen. Einerseits sollten sie schnell wachsen, um innerhalb kurzer Zeit einen möglichst hohen Ertrag zu bringen. Andererseits kommt es auf die Stockausschlagfähigkeit an. Als Stock bezeichnet man den verbleibenden Stumpf eines Baumes oder Strauches, nachdem die oberirdischen Pflanzenteile abgeerntet wurden. Die Stockausschlagfähigkeit beschreibt die Regenerationskraft eines Baumes, also seine Fähigkeit, erneut auszutreiben. Die Kombination aus schnellem Wachstum und guter Stockausschlagfähigkeit erfüllen vor allem Weiden und Pappeln. Deswegen eignen sich diese beiden Arten sehr gut für Kurzumtriebsplantagen.
Kim Karotki: Seit wann und an welchen Standorten bewirtschaftet Klasmann-Deilmann Kurzumtriebsplantagen?
Michael Diekamp: In Deutschland begann Klasmann-Deilmann im Jahr 2009 die erste Kurzumtriebsplantage auf einer Fläche von 20 Hektar anzulegen, was knapp 30 Fußballfeldern entspricht. Seither wird im emsländischen Schöninghsdorf regelmäßig geerntet: Das geschlagene Holz wird zu Holzhackschnitzeln verarbeitet, die zur Befeuerung der Holzhackschnitzelheizung am Standort Sedelsberg beitragen. Die Holzhackschnitzelheizung versorgt das komplette Werk mit Wärme und macht es so autark. In Litauen läuft derzeit die erste Ernte auf einer KUP. In der Region Silute/Taurage sind auf einer Nettofläche von 1.500 Hektar Weiden gepflanzt worden, für die sich die klimatischen Verhältnisse im Baltikum hervorragend eignen. Bis zum Jahr 2016 sollen die für KUP vorgesehenen Flächen auf insgesamt 3.000 Hektar erweitert werden.
Kim Karotki: Warum ist eine Kurzumtriebsplantage nachhaltig?
Michael Diekamp: KUP-Holz ist ein CO2-neutraler Brennstoff – und deswegen eine wichtige Energiequelle der Zukunft. Die Klimakonferenz in Paris hat gezeigt, dass die Nutzung fossiler Energieträger keine Zukunft mehr hat. KUP-Holz ist der effizienteste Energieträger im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe. Das zeigt sich deutlich am CO2-Fußabdruck: Bei keinem vergleichbaren nachwachsenden Rohstoff ist der Energieinput im Verhältnis zum Output so niedrig.
Kim Karotki: Welche Auswirkungen hat eine Kurzumtriebsplantage auf Biodiversität und Umwelt?
Michael Diekamp: Eine KUP bedeutet im Vergleich zur Landwirtschaft eine wesentlich extensivere Form der Bewirtschaftung. Während eine landwirtschaftliche Fläche jedes Jahr gepflügt, geeggt und gedüngt werden muss und jedes Jahr Herbizide und Pestizide ausgebracht werden, ist das bei einer KUP nur einmal in 20 Jahren nötig. Wir verzichten sogar komplett auf Herbizide und Pestizide und entfernen das Unkraut mechanisch. Aus Sicht des Bodenschutzes bringt das erhebliche Vorteile mit sich: Das Bodengefüge verbessert sich und Humus reichert sich im Boden an. Auch die Biodiversität und im weiteren Sinne der Umweltschutz profitieren, wenn man KUP mit herkömmlichen Ackerflächen vergleicht.
Kim Karotki: Wie viel Energie lässt sich mit einer KUP erwirtschaften?
Michael Diekamp: Wenn wir von einer bewirtschafteten Fläche von 1.000 Hektar ausgehen, auf der alle drei Jahre geerntet wird, dann kommen dabei 48.000 Tonnen Energieholz heraus. Nehmen wir den Energiegehalt von Pappeln als Grundlage, hat die Ernte einen Energiegehalt von rund 104.000 Megawattstunden. Das wiederum entspricht dem jährlichen Energiebedarf von knapp 21.000 Vier-Personen-Haushalten.
Kim Karotki: Warum gibt es in Deutschland relativ wenige Kurzumtriebsplantagen?
Michael Diekamp: Das hat vor allem wirtschaftliche Gründe. In den Gebieten, in denen viel Landwirtschaft betrieben wird, sind die Flächenpreise hoch. Hinzu kommen die zuletzt historisch niedrigen Preise für fossile Brennstoffe wie Öl und Gas und die vergleichsweise geringe Nachfrage nach Wärmeenergie, weil in den beiden vergangenen Jahren die Winter ausgebelieben sind. Da das Kapital bei einer KUP außerdem lange gebunden ist, erscheint diese Form der Energiegewinnung betriebswirtschaftlich betrachtet derzeit als wenig attraktiv – obwohl sie sehr umwelt- und klimafreundlich ist. In Deutschland gibt es zudem eine gewisse Grundskepsis gegenüber nachwachsenden Rohstoffen als Energieträger, die auf die Diskussion um Energiemais – Stichwort: Teller statt Tank – zurückzuführen ist.
Kim Karotki: Weshalb sind Kurzumtriebsplantagen im Baltikum wesentlich weiter verbreitet?
Michael Diekamp: Im Baltikum gibt es einen starken politischen Willen, sich von ausländischen Energiequellen unabhängig zu machen. Atomenergie ist gesellschaftlich nur sehr schwer durchsetzbar. Hinzu kommt, dass es ein funktionierendes Nahwärmenetz gibt und die Flächenpreise relativ gering sind. Diese Gründe in Kombination mit den Vorteilen Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit machen KUP im Baltikum zu einer sehr attraktiven und angesehenen Form der Energieerzeugung.