09.12.2025
Annette Schindler

Moritz Böcking: Wir haben geliefert!

 

NawaRo-Quote steigt  |  Erfolgreicher Start für Sphaxx® und TerraCoal®

Moritz Böcking, Geschäftsführer der Klasmann-Deilmann-Gruppe, stellt sich im Interview den Fragen der TASPO zu aktuellen Entwicklungen im Produktionsgartenbau. Gesprächspartner sind Matthias Pioro, neuer Geschäftsführer von Haymarket Germany, und der scheidende Haymarket-Geschäftsführer Uwe Schütt.

 

Matthias Pioro: Herr Böcking, starten wir mit der aktuellen Situation in der Torfminderung. Endkunden ziehen bei der Torfreduktion nicht so recht mit, vielleicht irgendwann auch die Gartenbaubetriebe nicht mehr. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für die weitere Entwicklung?

Moritz Böcking: Die Aufmerksamkeit der Gartenbaubetriebe und Endkunden gilt der Pflanze. Sie muss sich gesund entwickeln, schön aussehen und im Falle von Obst und Gemüse gut schmecken und gesund sein. Politik und NGOs versuchen seit langem, den kritischen Blick auf Kultursubstrate und Blumenerden zu lenken. Doch das ist für unsere Kunden wenig zielführend, und daher bleibt das allgemeine Interesse verhalten. Die wichtigste Erwartung an Substrate und Erden bleibt Funktionalität.

 

Uwe Schütt: Da möchte ich nachhaken: Wie verhält sich der Markt zurzeit? Nimmt die Nachfrage nach torfreduzierten beziehungsweise torffreien Substraten zu?

Moritz Böcking: Der Vertrieb von torfreduzierten und torffreien Substraten ist kein Selbstläufer. Er hat immer mit viel Überzeugungsarbeit, aufwändigen Kulturversuchen und der schrittweisen Ausweitung des Machbaren zu tun. Unsere Advanced-Substrate gehen hier erfolgreich voran. Wir setzen mittlerweile mehr als eine Million Kubikmeter an Holzfasern, Grünkompost, Kokos, Rinden usw. ein und erreichen in der Klasmann-Deilmann-Gruppe eine Quote von 30 % nachwachsenden Rohstoffen im Substratmix.

 

Matthias Pioro: Wohin geht die Reise in den nächsten Jahren: Die Nachfrage nach Substraten nimmt weltweit zu, da sind sich die meisten Branchenexperten einig. Was folgt daraus? Werden noch andere Ersatzstoffe Eingang in die Substrate finden? Wenn ja, bei welchen sehen Sie großes Potenzial?

Moritz Böcking: Wir gehen davon aus, dass die Wachstumsraten in Gartenbau und Substratherstellung mittelfristig moderater ausfallen werden, als manch ein Experte voraussagt. Trotzdem stimmt es, dass die Substratabsatzmengen steigen und die Branche mehr Rohstoffe benötigt. Die wichtigsten Ausgangsstoffe sind bereits bekannt und etabliert: Torf, Holzfasern, Grünkompost, Kokos, Rinden. Aber auch einige neue Rohstoffe sind vielversprechend.

Unsere Sphaxx®-Torfmoose übertreffen zurzeit alle Erwartungen und wir kommen mit der Skalierung der Produktion kaum hinterher. Aus gutem Grund: Aufgrund ihrer Nähe zum Torf haben Torfmoose hervorragende Eigenschaften und sind außerdem nachwachsend und nachhaltig.

Auch unsere Biokohle TerraCoal® erlebt gerade einen guten Start. Die Wasser- und Luftkapazität, der Düngerhaushalt und die Strukturbildung fördern die Kultursicherheit. Hinzu kommt, dass ein Substrat mit TerraCoal® als nachweislich klimaneutral zertifiziert werden kann.

 

Matthias Pioro: Im Bereich der alternativen Ausgangsstoffe ist also noch viel Bewegung. Gleichzeitig lässt der politische Druck spürbar nach. Werden Sie Ihren Kurs der Torfreduktion trotzdem fortsetzen?

Moritz Böcking: Torf ist weiterhin unverzichtbar im Gartenbau, daher werden wir ihn auch nutzen. Gleichzeitig wollen wir bei Klasmann-Deilmann den Anteil nachwachsender Rohstoffe an der Gesamtproduktion bis 2030 auf 50 % steigern. Unsere Nachhaltigkeitsstrategie wird also unvermindert umgesetzt. Machen wir uns nichts vor: Dem politischen Druck auf Torfgewinnung und -nutzung wird ja maximal eine Pause gegönnt.


Uwe Schütt:
Es soll ja nun einen Runden Tisch mit dem BMELH geben. Was versprechen Sie sich davon?

Moritz Böcking: Die Ankündigung des Runden Tisches durch das Ministerium ist eine gute Nachricht. Die Transformation der Substratbranche ist in den letzten Jahren sehr erfreulich vorangekommen. Wir haben geliefert. In Anerkennung dieser Entwicklung sollten Politik, Wissenschaft und NGOs nun endlich auf Augenhöhe mit den Substratherstellern und Gartenbaubetrieben und ihren Verbänden wie dem IVG und ZVG reden. Gebraucht wird ein nüchterner und realistischer Blick auf das, was möglich ist.

Matthias Pioro: Die Bundesregierung hatte das deutlich ambitioniertere Ziel eines weitgehenden Verzichts bis 2030 ausgerufen. Woran liegt diese doch sehr große Differenz?

Moritz Böcking: Das hängt im Wesentlichen an zwei Faktoren. Zunächst ist da die Verfügbarkeit geeigneter Ressourcen. In der Theorie mag es genügend Rohstoffe für eine zügigere Transformation geben. Aber um ein Beispiel zu nennen: Holzvorräte in Bayern nutzen nichts, wenn wir in Niedersachsen produzieren. Die Transporte würden die günstige Klimabilanz von Holzfasern komplett aufzehren und das Ziel der Torfminderung ad absurdum führen.

Der Hauptfaktor ist der Gartenbau. Die Betriebe schultern ein existenzielles Risiko bei der Umstellung auf Substrate mit geringeren Torfanteilen, weil alle relevanten Prozesse daran angepasst werden müssen. Unsere Kunden wollen natürlich sicherstellen, dass Qualität und Quantität ihrer Kulturen auf hohem Niveau erhalten bleiben. Das setzt voraus, dass auch Klasmann-Deilmann keine Kompromisse bei der Qualität von Substraten eingeht. Daran müssen wir uns als Substrathersteller messen lassen. Und doch sind es in letzter Instanz die Gartenbaubetriebe, die die Konsequenzen aus der politisch verordneten Torfminderung tragen, ohne dass sie durch die Politik abgesichert werden. Daher ist es eine Frage der soliden Betriebsführung, hier umsichtig vorzugehen.


Matthias Pioro:
Ihr Ziel ist, CO2-Emissionen zu senken. An welchen Punkten setzen Sie verstärkt an?

Moritz Böcking: 75 % unserer Emissionen stammen aus der Torfnutzung und Transporten. Wenn wir etwas bewegen wollen, dann müssen wir genau da ansetzen. Daher bleibt die Umstellung auf nachwachsende Rohstoffe eine zentrale Aufgabe der Substratindustrie. Da Transporte auch auf längere Sicht hohe Emissionen verursachen werden, müssen wir sie vermeiden. Die Entscheidungen über unsere Investitionen berücksichtigen daher auch immer eine Kalkulation, wie viele Emissionen wir rohstoff- und transportseitig vermeiden können.


Matthias Pioro:
Aber es ist doch so, dass Nachhaltigkeit und Torfnutzung als unvereinbare Gegensätze gelten. Wie nachhaltig ist aus Ihrer Sicht der Torfabbau z. B. im Baltikum, wo Sie ihn beziehen?

Moritz Böcking: Da Torf als fossiler Rohstoff bewertet wird, kann seine Gewinnung nicht nachhaltig sein. Nachhaltig kann aber die Nutzung sein, so z. B. in der Ernährungswirtschaft oder im Baumschulbereich für Aufforstungsprojekte.

Darüber hinaus haben die weltwirtschaftlichen Entwicklungen seit der Covid-19-Pandemie gezeigt, zu welchen Engpässen eine Abhängigkeit im Rohstoffbereich führen kann. Torf trägt maßgeblich dazu bei, dass die europäische Pflanzenproduktion einschließlich des Gemüse- und Obstanbaus unabhängig bleibt von Rohstoffen aus Übersee.

Dieser Gegensatz lässt sich nicht auflösen, so lange Torfanteile im Substrat unverzichtbar sind. Es bringt jedoch niemanden weiter, wenn wir diese Diskussion immer und immer wieder führen. Es gilt vielmehr zu würdigen, dass sich die Substratbranche auf den Weg gemacht hat, dass sie sich inmitten der Transformation befindet, dass sie immer mehr nachwachsende Rohstoffe nutzt. Trotzdem braucht sie weiterhin Torf, trotzdem braucht sie Zeit und immer braucht sie den Schulterschluss mit dem einzelnen Gartenbaubetrieb, der mit oder ohne Torf auf jeden Fall erfolgreich bleiben muss.

 

Das Interview wurde in der TASPO veröffentlicht.

 

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