Unternehmen

07.02.2019
Alina Strickmann

Förderungswürdiger Hidden Champion

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann besucht Klasmann-Deilmann

Bernd Althusmann, niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, war zu Gast bei Klasmann-Deilmann. Begleitet wurde er von Landrat Reinhard Winter, dem Landtagsabgeordneten Bernd Carsten Hiebing und Helmut Höke, Bürgermeister der Gemeinde Geeste. Geschäftsführer Moritz Böcking und Bernd Wehming überraschten die Besucher mit einem völlig neuen Konzept zur Wiederherrichtung der durch den Moorbrand im vergangenen Sommer geschädigten Tinner Dose.

„Es kann sein, dass wir hier landesseitig einen Hidden Champion haben, bei dem wir sehr genau hinschauen sollten, was wir fördern können“, sagte Bernd Althusmann im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Zuvor hatte Klasmann-Deilmann verschiedene Projekte vorgestellt, die in die Zukunfts-, Umwelt- und Digitalisierungsstrategie des Landes Niedersachsen passen könnten.

Besondere Aufmerksamkeit erregte der Vorschlag von Klasmann-Deilmann zur Wiederherrichtung der Tinner Dose. Dort hatte ein mehrwöchiger Schwelbrand im vergangenen Sommer weiträumige Schäden im Moorgebiet verursacht und zu nennenswerten CO2-Emissionen geführt. Anstelle der derzeit angestrebten Wiedervernässung der betroffenen Areale brachte Moritz Böcking nun eine großflächige Anpflanzung von Torfmoosen ins Gespräch. „Im Rahmen unseres sehr gelungenen Projektes zur Torfmooskultivierung haben wir mehrjährige Erfahrung sammeln können“, erläuterte Böcking. „Die gezielte Ausbringung von Torfmoosen führt auf der Zeitschiene wesentlich schneller zu Renaturierungserfolgen. Das Wachstum des moortypischen Sphagnum setzt zügig ein, Flora und Fauna kehren zurück und die Bindung von klimaschädlichen Gasen beginnt sehr viel eher als bei den üblichen Wiedervernässungsmaßnahmen.“ Bernd Althusmann und Reinhard Winter baten die Geschäftsführung, der Landesregierung zeitnah ein entsprechendes Konzeptpapier zur Verfügung zu stellen.

Klasmann-Deilmann regte in diesem Kontext eine Novelle der seit den 1980er Jahren geltenden niedersächsischen Gesetze zum Moorschutz an. Bis dato fokussieren diese die Wiederherrichtung ehemaliger Torfgewinnungsflächen per Wiedervernässung. Landesweit geht es dabei um mehrere tausend Hektar degenerierter Moore, für deren Renaturierung das Land Niedersachsen Steuergelder einsetzen muss. Klasmann-Deilmann verwies auf diverse Forschungsprojekte, aus denen sich in den vergangenen Jahren neue Möglichkeiten zur nachhaltigen Bewirtschaftung ehemaliger Torfgewinnungsflächen ergeben haben und deren Umsetzung die Erreichung von Umwelt- und Klimaschutzzielen beschleunigt, die durch privatwirtschaftliche Unternehmen umgesetzt werden können und die den Landeshaushalt entlasten würden.

Auch der zunehmende Einsatz von alternativen Ausgangsstoffen wie Holzfasern und Grünkompost in Kultursubstraten fand die Zustimmung der Gäste. Moritz Böcking wies darauf hin, „dass wir hier an dem Standort sind, an dem wir in einigen Jahren keine eigenen Torfrohstoffe mehr haben werden.“ Vor diesem Hintergrund konzentriert Klasmann-Deilmann die Aktivitäten in der Produktion von nachwachsenden Rohstoffen und die Erforschung völlig neuer Materialien für die Substratproduktion in Geeste. Der Landtagsabgeordnete Bernd Carsten Hiebing dankte Klasmann-Deilmann in diesem Zusammenhang dafür, dass „der innovative Teil des Unternehmens im Emsland geblieben ist“. Bernd Wehming und Moritz Böcking unterstrichen, dass Forschung und Entwicklung von Niedersachsen aus mit Nachdruck weiter vorangetrieben und umfangreiche Investitionen getätigt werden. Mit Blick auf die begrenzten Möglichkeiten eines mittelständisch geprägten Unternehmens ergänzten sie, dass eine staatlich geförderte Entwicklung von Torfersatzstoffen den Ausstieg aus der Torfnutzung beschleunigen könnte. „Das Land Niedersachsen steht im Mittelpunkt der Diskussion um die Beendigung der Torfgewinnung“, so Moritz Böcking, „und es wäre wünschenswert, wenn auch der entscheidende Impuls für neue Rohstoffe, neue Kultursysteme oder ganz neue Geschäftsmodelle im Produktionsgartenbau von hier kämen.“

In diesem Zusammenhang stellten Geschäftsführer Bernd Wehming und Dr. Sebastian Kipp, Leiter der Produktentwicklung, die bereits weit fortgeschrittenen Aktivitäten zur Digitalisierung des Unternehmens vor. „Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse führt bei Klasmann-Deilmann zu hohen Effizienzgewinnen“, führte Bernd Wehming aus. „Dabei haben wir stets den Nutzen für unsere Kunden im Blick. Einen wichtigen Sinn digitaler Prozesse sehen wir darin, dass sich unsere Kunden am Ende noch ein bisschen wohler bei uns fühlen.“

Sebastian Kipp berichtete im Anschluss über laufende Projekte zur Digitalisierung des internationalen Produktionsgartenbaus. Im Zusammenhang mit dem Neubau von Innovation Center, Research Center und Technikum (Fertigstellung im Sommer 2019) stellt Klasmann-Deilmann Räume und Fachpersonal zur Verfügung, die von Niedersachsen aus maßgebliche Beiträge zur Digitalisierung des modernen Produktionsgartenbaus in der ganzen Welt leisten können. Gemeinsame Forschungsvorhaben mit Universitäten, Instituten, Unternehmen und Start-ups können am Unternehmenssitz in Geeste in die Praxis umgesetzt werden. Unter anderem verfolgt Klasmann-Deilmann ein Projekt, bei dem wesentliche, in einem Gartenbaubetrieb anfallende Daten manuell oder sensorisch erfasst und übermittelt werden. In Zukunft können Spezialisten damit von Geeste aus Wachstumsprozesse in Betrieben steuern, die sich beispielsweise in China oder anderen Überseemärkten befinden und deren Produktivität verbessern, ohne selbst vor Ort zu sein. Ermöglicht wird dies durch den schnellen Austausch von Daten und automatisierten Kulturführungshinweisen.

„Unsere Vision ist, von Niedersachsen aus die Wachstumsprozesse im Unterglasanbau auf der ganzen Welt positiv beeinflussen und steuern zu können“, führte Moritz Böcking aus. Insbesondere im Hinblick auf die zunehmenden Herausforderungen in der Ernährung der Weltbevölkerung käme es immer mehr auf absolut sichere Kulturerfolge an. „Niedersachsen könnte zum Vorreiter einer solchen Entwicklung werden – und wir erdenken heute schon die Technik dafür.“

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann wies abschließend darauf hin, dass Niedersachsen „gerade heute in der glücklichen Lage ist, in die Zukunft zu investieren und wegweisende Projekte zu unterstützen.“ Bevor er mit den weiteren Gästen das Innovation Center verließ, nahm er sich Zeit für ein Gespräch mit dem Auszubildenden René Föcke, der den Minister zu einem Schnellrundgang durchs Unternehmen via Virtual Reality einlud.