Bundesministerin Julia Klöckner eingeladen
Runder Tisch soll bei Klasmann-Deilmann stattfinden
Klasmann-Deilmann hat Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), in unsere Unternehmenszentrale nach Groß Hesepe eingeladen. Hintergrund ist die aktuelle Debatte um eine Reduzierung von Torfanteilen in Kultursubstraten und Blumenerden. Geschäftsführer Moritz Böcking nahm dazu im Interview Stellung.
Herr Böcking, lassen Sie uns die Ereignisse noch einmal chronologisch schildern. Wie kam es zu der Einladung der Bundesministerin Julia Klöckner?
Moritz Böcking: Europa will bis 2050 klimaneutral sein. Vor diesem Hintergrund möchte die Bundesregierung bereits bis zum Jahr 2030 die Emissionen in Deutschland deutlich senken. Bundesministerin Julia Klöckner fordert in diesem Kontext, dass in Kultursubstraten und Blumenerden weniger Torf eingesetzt wird. Das ist ein Anliegen, das wir grundsätzlich unterstützen, auch weil in Deutschland die Torfvorräte in absehbarerer Zeit erschöpft sein werden.
Zum Beispiel durch unser 15-%-Ziel bis 2020 und das 30-%-Ziel bis 2025?
Moritz Böcking: Ja, wir mischen unseren Kultursubstraten immer mehr alternative Ausgangsstoffe zu. Damit sind wir auf dem absolut richtigen Weg. Auch unser Wettbewerb weiß, dass diese Zielrichtung unumkehrbar ist. Im letzten Winter trafen sich die deutschen Substrathersteller und einigten sich auf eine Selbstverpflichtung. Das war ein großer Schritt für alle Beteiligten und ein weitreichendes Angebot an die Politik.
Worin besteht die Selbstverpflichtung?
Moritz Böcking: In Blumenerden für Endverbraucher sollen die Torfanteile um 50 % bis 2025 bzw. um 70 % bis 2030 zurückgehen. Gleichzeitig reduzieren wir die Torfanteile in Kultursubstraten für den Produktionsgartenbau um 20 % bis 2025 bzw. um 30 % bis 2030.
Aus Sicht von Klasmann-Deilmann klingt das machbar.
Moritz Böcking: Ja, machbar ist es. Aber es ist eine riesige Herausforderung für unser Unternehmen, da wir keine Qualitätseinbußen für unsere Kunden akzeptieren und die notwendigen nachwachsenden Rohstoffe schwierig zu beschaffen sein werden. Unsere Szenarien mit 15 % und 30 % beziehen sich auf unseren eigenen weltweiten Vertrieb und sind dementsprechend noch etwas ambitionierter. Die Selbstverpflichtung der deutschen Substrathersteller bezieht sich allein auf Deutschland. Es mussten Ziele formuliert werden, die für die ganze Branche machbar sind – auch wenn Klasmann-Deilmann hierzulande schon etwas weiter ist. Wir halten die Selbstverpflichtung für fair und realistisch.
Bis hierher klingt das Ganze nach einer wünschenswerten Entwicklung.
Moritz Böcking: Leider kam aus dem Ministerium postwendend eine Stellungnahme, dass die Ziele der deutschen Substratbranche nicht ehrgeizig genug seien. Julia Klöckner fordert weitergehende Maßnahmen, sprich: noch weniger Torf in Kultursubstraten und vor allem in Blumenerden. Wesentliches Argument ist dabei die fälschliche Annahme, dass Torf 2 % der bundesdeutschen Emissionen verursacht. Kurz darauf hat sie wichtige Handelspartner unserer Branche schriftlich aufgefordert, sie bei der Durchsetzung ihrer Ziele gegen uns zu unterstützen.
Und dann kam die Sommerpause.
Moritz Böcking: In den vergangenen Wochen ist hinter den Kulissen viel geschehen. Die im Industrieverband Gartenbau (IVG) organisierten Substrathersteller sind allerdings noch in der Abstimmung mit assoziierten Verbänden, wie man nun weiter vorgehen soll. Deshalb hat Klasmann-Deilmann die Initiative übernommen und Julia Klöckner persönlich zu uns ins Innovation Center eingeladen. Unser Vorgehen wird vom Verband sehr begrüßt.
Was genau ist die Idee hinter der Einladung?
Moritz Böcking: Wir möchten einen „Runden Tisch“ ausrichten, an dem die Debatte um die Torfminderungsstrategie fortgeführt wird. Wir haben Vertreter der Landespolitik informiert, darunter der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann sowie Politiker aus der Region und auf EU-Ebene. Eingeladen sind auch der IVG, der Zentralverband Gartenbau (ZVG) und die Deutsche Gesellschaft für Moor- und Torfkunde (DGMT) sowie natürlich Vertreter der anderen Substrathersteller. Im Optimalfall hätten wir eine sehr hochkarätige Diskussionsrunde zu Gast.
Mit welchen Argumenten wird Klasmann-Deilmann antreten?
Moritz Böcking: Wir entwickeln gerade ein Positionspapier zu diesem Themenkreis. Dazu haben wir den Anteil der Torfgewinnung und -nutzung an den deutschen Emissionen berechnet. Eine wesentliche Grundlage war der Klimabericht aus Julia Klöckners Ministerium, der sogenannte „Nationale Inventarbericht 2020“. Wenn man dessen Zahlen zugrunde legt, ist Torf für maximal 0,3 % der hiesigen Emissionen verantwortlich – und nicht für 2 %. Da hat sich im BMEL jemand gewaltig verrechnet. Ein anderes Argument ist die Tatsache, dass Torf nach wie vor der beste Rohstoff für qualitativ hochwertige Kultursubstrate ist. Außerdem befürchten wir zunehmende Engpässe bei Holzfasern, Grünkompost, Rinden usw., wenn den Blumenerden und Kultursubstraten in zu kurzen Zeiträumen zu hohe Anteile zugemischt werden sollen. Gerade in der Corona Krise hat die Gartenbaubranche bewiesen, wie robust sie ist und wie wichtig Substrate für die sichere Gemüse- und Zierpflanzenversorgung in Europa sind. Torf ist ein lokaler Rohstoff, der Europa unabhängig macht, auch wenn die internationalen Transportwege gestört sind.
Welche Forderungen würden wir erheben?
Moritz Böcking: Wir unterstützen den klimaschutzpolitischen Kurs der Bundesregierung. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass die Qualität unserer Produkte erhalten bleibt. Für beide Zielrichtungen bildet die Selbstverpflichtung einen realistischen Rahmen. Den wollen wir verteidigen. Unsere darüber hinaus gehenden Forderungen beziehen sich unter anderem darauf, dass wir einen sicheren Zugriff auf alternative Ausgangsstoffe bekommen, dass Forschungsvorhaben gefördert werden, dass wir im Bereich der Ernährungswirtschaft und im Zierpflanzenbau sehr behutsam mit Torfersatz umgehen – und dass die Nutzung von Torf weiterhin möglich bleibt.
Aber ist nicht gerade die Torfnutzung der kritische Punkt?
Moritz Böcking: Klasmann-Deilmann unterstützt die europäische Nachhaltigkeitsinitiative „Responsibly Produced Peat“ (RPP), deren Ziel eine verantwortungsvolle Nutzung von Torfgewinnungsflächen und der Schutz natürlicher Moore ist. Dazu hat RPP ein Zertifizierungssystem etabliert, das nachweislich die Auswahl, Nutzung und Wiederherrichtung von Gewinnungsflächen mit strengen Auflagen verbindet. Wenn sich alle Seiten auf RPP-zertifizierten Torf einigen, nutzen wir einen Rohstoff, der in die nachhaltige Entwicklung unseres Landes, der Substratbranche und unserer Produkte passt.
Gibt es schon eine Rückmeldung aus Berlin?
Moritz Böcking: Die Einladung ist erst seit ein paar Tagen raus. Jetzt muss das Anliegen in Berlin erst einmal gründlich geprüft und eine Meinung dazu entwickelt werden. Wir gehen davon aus, dass es mit der Antwort noch ein wenig dauern wird, wir sind gespannt!
Vielen Dank, Herr Böcking.
Moritz Böcking: Gerne. Wir halten Sie auf dem Laufenden.