20.03.2019
Dirk Röse

Der Bedarf an Substraten steigt dramatisch

Starkes Wachstum bis 2050

Wie wird sich die Substratbranche in Zukunft entwickeln? Chris Blok von der „Wageningen University & Research, Greenhouse Horticulture“ wagt eine Prognose.

Chris Blok ist Wissenschaftler im Bereich „Rooting Media and Plant Nutrition“ an der niederländischen Universität Wageningen. In der jüngsten Zeit beschäftigte er sich mit der Entwicklung des internationalen Absatzmarktes für Kultursubstrate und erstellte eine Studie, die durch die „International Peatland Society“ (IPS) ermöglicht wurde. Seine Prognose bis zum Jahr 2050 stellte er auch bei Klasmann-Deilmann vor. Wir nutzten die Gelegenheit zu einigen Fragen an den Referenten und Moritz Böcking, Geschäftsführer bei Klasmann-Deilmann.

Frage: Herr Blok, wie wird sich der Bedarf an Kultursubstraten entwickeln?

Chris Blok: Die weltweite Nachfrage wird in den nächsten Jahrzehnten dramatisch steigen und sich bis 2050 mehr als vervierfachen. Denkbar ist sogar ein noch größerer relativer Nachfrageschub bei einzelnen Kultursubstraten, doch dem stehen tatsächlich Begrenzungen bei den Ressourcen der Substratindustrie entgegen.

Frage: Woraus resultiert dieses starke Wachstum?

Chris Blok: Als erstes möchte ich hier das weltweite Bevölkerungswachstum nennen. Wir gehen von etwa zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050 aus, heute sind es sieben Milliarden. All diese Menschen müssen ernährt werden. In diesem Zusammenhang kommt dem Produktionsgartenbau eine zunehmende Bedeutung zu – und damit auch den Substratherstellern.

Gleichzeitig wird der weltweite Wohlstand steigen. Längst nicht alle Menschen werden einen westeuropäischen Lebensstandard erreichen können, aber es wird deutlich mehr Menschen geben, die in einem relativen Wohlstand leben. Damit steigt der Bedarf an gesunder Ernährung durch Obst und Gemüse, damit steigt auch der Bedarf an Zierpflanzen, die das Leben bereichern oder unsere Städte sauberer machen. Es liegt auf der Hand, dass der Produktionsgartenbau und die Substratindustrie in diese Entwicklung eingebunden sind.

Frage: Wo wird dieser steigende Bedarf stattfinden?

Chris Blok: Wir werden überall auf der Welt eine starke Aufwärtsentwicklung erleben. Sogar in hochentwickelten Regionen wie Europa wird sich der Bedarf an Kultursubstraten mehr als verdoppeln. Das mit Abstand größte prozentuale Wachstum findet in Asien und in Afrika statt, wobei Asien als Absatzmarkt sogar Europa überholen wird und Afrika in absoluten Zahlen weiterhin deutlich zurückbleibt.

Frage: Welche Rolle wird Torf in dieser Entwicklung spielen?

Chris Blok: Der Bedarf an Torfrohstoffen für die Substratproduktion könnte sich verdoppeln. Es könnte sogar sein, dass das Potenzial darüber hinaus noch deutlich höher ist, doch der Verfügbarkeit von Torf sind auf absehbare Zeit Grenzen gesetzt: Die riesigen Ressourcen sind größtenteils nicht durch eine ausreichende Infrastruktur erschlossen oder unterliegen strikten Umweltschutzbedingungen.

Frage: Was wird parallel dazu aus den alternativen Ausgangsstoffen?

Chris Blok: Die Bedeutung alternativer Ausgangsstoffe nimmt im Zuge des steigenden Substratbedarfs dramatisch zu. Insbesondere für Kokosprodukte, Holzfasern und Rinden erwarte ich Steigerungen von jeweils mehr als siebenhundert Prozent. Aber auch hier gilt, dass die Verfügbarkeit dem theoretisch noch größeren Wachstum ein Limit setzt.

Frage: Hat Ihr Szenario Platz für Innovationen?

Chris Blok: Innovationen sind in dieser Prognose eine feste Größe. Die heute bewährten und etablierten Rohstoffe für die Substratherstellung werden in keiner Weise ausreichen, um den Bedarf in 2050 zu decken. Es gilt eine Fehlmenge von jährlich mehr als vierzig Millionen Kubikmeter Rohstoffe bzw. Kultursubstrate durch innovative Ausgangsstoffe, Substrate oder Kultursysteme aufzufangen. Das ist eine unglaublich hohe Menge. Die Substratindustrie hat hier eine wirklich große Herausforderung zu bewältigen – und steht zugleich echten Chancen gegenüber.

Frage: Welche Schlüsse ziehen Sie selbst aus Ihrer Studie?

Chris Blok: Angesichts der limitierten Rohstoffe sollte sich der Produktionsgartenbau noch intensiver um Kultursysteme bemühen, die ohne oder aber mit deutlich weniger Kultursubstrat auskommen. „Hydroponics“ – also die Kultur von Pflanzen, deren Wurzeln sich in Nährlösungen befinden – sind bereits heute sehr effizient, was den Bedarf an Platz, Wasser und Nährstoffen betrifft. Darüber hinaus finde ich Projekte spannend, die anstelle einer Torfgewinnung zu einer Torfmoosernte übergehen, so z. B. das Sphagnum Farming. Und natürlich liegt im Recycling von Kultursubstraten ein immenses Potenzial.

Frage: Herr Böcking, für Klasmann-Deilmann sind solche Zukunftsszenarien natürlich von größter Bedeutung. Überraschen Sie diese Aussichten?

Moritz Böcking: Das sind in der Tat sehr positive Perspektiven, nicht allein für Klasmann-Deilmann. Jede Branche hört es gerne, wenn starkes Wachstum prognostiziert wird. Die guten Aussichten überraschen uns grundsätzlich nicht, da wir selbst ein kontinuierliches Wachstum verzeichnen. Überraschend finden wir jedoch den Umfang der Marktentwicklung, der eine Vervielfachung des Bedarfs vorhersagt. Das deckt sich zumindest bislang nicht mit den Erfahrungen, die wir im internationalen Produktionsgartenbau machen.

Frage: In Chris Bloks Studie spielt die Nutzung von Torf eine zentrale Rolle für die weitere Entwicklung.

Moritz Böcking: Chris Blok betont, dass sich seine Untersuchung auf die tatsächlich verfügbaren Rohstoffe bezieht, und er stellt in diesem Zusammenhang fest, dass der Bedarf damit allein bei weitem nicht gedeckt werden kann. Klasmann-Deilmann hat darüber hinaus auch immer die politische und gesellschaftliche Positionierung im Blick, die sicher nicht akzeptieren wird, dass die Torfnutzung im prognostizierten Umfang zunimmt. Wenn man diese Faktoren einbezieht, wird die Differenz zwischen Bedarf und Verfügbarkeit noch deutlich dramatischer ausfallen.

Frage: Wie wird Klasmann-Deilmann damit umgehen?

Moritz Böcking: Klasmann-Deilmann wird den bereits eingeschlagenen Weg mit Hochdruck weiterverfolgen. Wir bauen Produktionskapazitäten für alternative Ausgangsstoffe aus, suchen nach zusätzlichen Anwendungsmöglichkeiten für neue Rohstoffe in unseren Substraten und verstärken die Entwicklung substratfreier bzw. substratreduzierter Anzuchtsysteme – ganz im Sinne der Studie. Deshalb möchte ich Chris Blok auch für seine inspirierenden Ausführungen danken, die einerseits wirklich ermutigend sind und andererseits wichtige Fragen aufwerfen, auf die wir Antworten finden werden.

Chris Blok: Ich danke Klasmann-Deilmann für den offenen Dialog und auch für die daraus resultierenden Fragen, die zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsprojekte bieten.

Vielen Dank Herr Böcking. Vielen Dank Herr Blok, wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und Ihrer Studie die gebührende Aufmerksamkeit!

 

Die Nutzung dieses Beitrags auch in Auszügen ist nur in Abstimmung mit Chris Blok und der Klasmann-Deilmann GmbH gestattet.