Unternehmen

10.09.2021
Dirk Röse

Der Digital Grower ist die Zukunft

Die TASPO, Deutschlands führende Fachzeitschrift für den Produktionsgartenbau, führte ein Interview mit unserem Geschäftsführer Moritz Böcking. Im Fokus stand dabei die Frage, welche Rolle die Digitalisierung für die Zukunft des Gartenbaus spielen wird.

 

TASPO: Klasmann-Deilmann ist ein führender Produzent von Kultursubstraten. Es kommt unerwartet, dass Ihr Unternehmen sich nun für die Digitalisierung im Gartenbau stark macht.

Moritz Böcking: Wir bleiben Substrathersteller und machen uns in erster Linie für unsere Kunden stark. Es ist aber so: Wer sich heute für seine Kunden einsetzen will, der muss sich auch mit der Digitalisierung seiner Geschäftsprozesse beschäftigen. Digitalisierung steht faktisch in allen Industrien weltweit auf der Agenda und es ist nur noch eine Frage weniger Jahre, bis Produktion, Handel, Logistik und Dienstleistungen weltweit umfassend digitalisiert sind. Auch der Produktionsgartenbau wird diesen Weg gehen. Natürlich bleiben Substrate und Pflanzen ein primär analoges Geschäft, aber digitale Lösungen werden unseren Wirtschaftszweig mehr und mehr prägen. Wir verfolgen die Entwicklungen im internationalen Gartenbau und sehen, was überall geschieht. Es war bei uns eine folgerichtige Entscheidung, den digitalen Gartenbau voranzubringen.

TASPO: Welche Entwicklungen sind das?

Moritz Böcking: Die Weltbevölkerung wächst und mit ihr der Bedarf an gesunden Nahrungsmitteln und Zierpflanzen. Da jedoch die dafür benötigten Anbauflächen nicht zunehmen, muss auf vorhandenen Flächen der Ertrag gesteigert werden. Dazu leisten unsere Kultursubstrate einen wesentlichen Beitrag. Im selben Kontext nehmen auch die Anforderungen an die Gartenbaubetriebe stetig zu. Die Betriebe müssen ihre Leistung und Effizienz erhöhen. Sie werden größer, komplexer und verteilen sich oft auf mehrere Standorte. Wir wissen, dass es einen Mangel an qualifiziertem Fachpersonal gibt, der dazu führt, dass sich immer mehr Verantwortung auf sehr wenige Personen konzentriert. Es ist absehbar, dass Gartenbaubetriebe in Zukunft noch stärker wie Industriebetriebe geführt werden müssen – stark vernetzt mit Ihren Kunden und ihren Lieferanten. Und das geht nicht ohne digitale Lösungen. Digitalisierung wird schon bald kein Wettbewerbsvorteil mehr sein, sondern grundlegende Voraussetzung für den eigenen Erfolg.

TASPO: Ihre Antwort auf diese Entwicklung ist die digitale Plattform Log & Solve, die Klasmann-Deilmann speziell für Nutzer im Produktionsgartenbau entwickelt. Worum geht es bei dieser Anwendung?

Moritz Böcking: Log & Solve ist eine Online-Plattform, deren Schwerpunkt zurzeit auf dem Monitoring gartenbaulicher Prozesse liegt. Kulturparameter werden erfasst, beobachtet, ausgewertet und durch eigene Notizen und Bildmaterial ergänzt. So können z. B. kontinuierlich Nährstoffgehalte und Substratfeuchte dokumentiert sowie automatisierte Statusmeldungen über die jeweilige Kultur erstellt werden. Die digitalen Kultur-Logbücher visualisieren die Messdaten – auch in Kombination mit weiteren Informationen. So ermöglichen sie eine breite Übersicht auf die laufenden Prozesse und den Vergleich mit früheren oder parallel durchgeführten Pflanzensätzen. Anstehende Kulturen lassen sich mit Log & Solve detailliert planen. Auf Basis der gesammelten Daten kann der Betrieb unerwünschten Entwicklungen vorbeugen. Dennoch eintretende Mängel können frühzeitig erkannt und Konsequenzen abgewendet werden. Im Fall kritischer Werte werden Warnmeldungen per E-Mail oder SMS ausgelöst. Auf diese Weise behält der Betrieb den Erfolg der eigenen Kulturführung im Blick und kann gegebenenfalls nachjustieren – ganz gleich, ob das betreffende Gewächshaus gleich nebenan steht oder sich weit entfernt in einem anderen Land befindet. Die Daten und Auswertungen können mit dem Team geteilt werden, beispielsweise auf dem Smartphone oder dem Tablet. Außerdem lassen sich weiterführende Schlüsse zur Verbesserung der betrieblichen Prozesse ableiten. Darüber hinaus bieten wir eine auf allen Daten aufbauende Beratung, also ein Consulting zur Kulturführung im betrieblichen Alltag. Das ist das, was unsere Kunden kennen und besonders schätzen: den persönlichen Austausch zu Themen, die im Betrieb gerade anstehen. Die Gespräche von Angesicht zu Angesicht wird es auch in Zukunft geben. Aber die Informationsgrundlage dafür wird eine deutlich verbesserte Datenlage sein. Außerdem werden wir flexibler. Wenn es eilt, stehen unsere Fachleute auch online als Berater zur Verfügung.

TASPO: Trotzdem: Warum muss ausgerechnet ein Substrathersteller das Kerngeschäft um digitale Lösungen ergänzen?

Moritz Böcking: Wir sahen die Notwendigkeit, wir hatten die Ideen und wir haben die richtigen Fachleute. Eine ganze Reihe unserer IT-Lösungen vereinfacht die Prozesse zwischen Gartenbaubetrieb und Substrathersteller, sie bringen den Beteiligten zusätzliche Vorteile. Substrate können mit wenigen Klicks online bestellt werden, die Lieferung wird durch ein Tracking Tool begleitet – das gehört heutzutage schon zu den Standards. Bei Log & Solve arbeiten Gartenbauingenieure und IT-Spezialisten interdisziplinär mit Gartenbaubetrieben zusammen, um die Plattform kontinuierlich weiterzuentwickeln. Inzwischen sind wir so weit, dass bald auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz lohnt. Um damit Ihre Frage zu beantworten: Es muss nicht der Substrathersteller sein, der für die Digitalisierung sorgt. Aber auch wir sind ein Unternehmen, das sich im Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter befindet und das mit Hochdruck an IT-Lösungen arbeitet. Das Potenzial für unsere Kunden liegt dabei auf der Hand. Deshalb wollen wir diesen Weg gemeinsam gehen und gemeinsam Fortschritte erzielen. Je früher und enger wir zusammenarbeiten, desto besser gelingt die Digitalisierung im Gartenbau.

TASPO: Wie wird es mit der Digitalisierung im Produktionsgartenbau weitergehen? Bleiben Entwicklungen wie Log & Solve Insellösungen?

Moritz Böcking: Viele Unternehmen der Gartenbaubranche verfügen längst über breit gefächerte Daten, die ihren vollen Nutzen aber erst dann entfalten, wenn sie zusammengeführt, ausgewertet und mit den Daten anderer Unternehmen verknüpft werden. Digitalisierung heißt auch Vernetzung, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Die Lieferanten für Substrate, Dünger, Saatgut, Töpfe, Maschinen, Energie usw. werden sich zukünftig digital mit dem einzelnen Gartenbaubetrieb vernetzen. Jeder trägt zum Gesamtpaket einer betrieblichen Ausstattung bei, in der alle Komponenten einen physisch-digitalen Organismus bilden. Davon profitieren die betrieblichen Prozesse, und wir lernen voneinander, um noch besser zu werden. Der Gartenbaubetrieb ist Zentrum und Schnittstelle dieser Entwicklung. Daher braucht er digitale Lösungen, die diese Anforderungen abdecken und in alle notwendigen Richtungen weiterentwickelt werden können. Die Auswertungen von Log & Solve führen bereits zu ausgereiften Dünger- und Bewässerungsstrategien, und die Vorteile dieser Plattform werden sich zügig auf weitere Bereiche ausdehnen. Auf diese Weise nutzt der Gartenbaubetrieb sein digitales Potenzial und rüstet sich für die Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte.

TASPO: Wo sehen Sie die digitale Zukunft des Gartenbaus?

Moritz Böcking: Wir rechnen damit, dass es hierzulande und international schon mittelfristig nicht mehr genug erfahrene Erwerbsgärtner und Fachkräfte gibt – und das ist ein Jammer. Es droht der Verlust von Kompetenzen, die für einen erfolgreichen Gartenbaubetrieb unerlässlich sind. Wenn es weiterhin einen Produktionsgartenbau geben soll, der uns sicher mit gesunden Nahrungsmitteln sowie Zier- und Baumschulpflanzen versorgt, dann müssen wir gartenbauliches Know-how in Bits & Bytes überführen. Wir gehen davon aus, dass Gartenbaubetriebe in nicht allzu ferner Zukunft bei hoher Automatisierung digital gesteuert werden können – weitgehend unabhängig vom Know-how des jeweiligen Betreibers und mit sehr wenig Personal. Der „Digital Grower“ wird kommen und deshalb entwickeln wir Log & Solve.