Nachhaltigkeit

06.01.2020
Alina Strickmann

Erwartungen erfüllen, Grenzen ermessen

Klasmann-Deilmann veröffentlicht siebten Nachhaltigkeitsbericht

Interview mit Moritz Böcking und Bernd Wehming

Zum siebten Mal veröffentlicht die Klasmann-Deilmann-Gruppe ihren Nachhaltigkeitsbericht. Unter dem Titel „Erwartungen erfüllen, Grenzen ermessen“ behandelt er durchaus gegenläufige Entwicklungen. Mit Nachdruck werden Ziele verfolgt, die mit hohen Erwartungen verknüpft sind. Gleichzeitig gilt es Grenzen der Machbarkeit zu berücksichtigen. Unsere Geschäftsführer Moritz Böcking und Bernd Wehming sprachen im Interview über die nachhaltige Entwicklung der Klasmann-Deilmann-Gruppe.

 

Dirk Röse: Im November 2019 erschien der siebte Nachhaltigkeitsbericht der Klasmann-Deilmann-Gruppe. Bislang gab es jedes Jahr einen Bericht, diesmal hat es zwei Jahre gedauert.

Moritz Böcking: Es war gut, dass wir die ersten Berichte im Jahresrhythmus veröffentlicht haben. Seinerzeit haben wir die nachhaltige Entwicklung unseres Unternehmens mit Nachdruck vorangebracht und konnten uns mit jedem neuen Bericht deutlich verbessern. Mittlerweile haben wir ein sehr hohes Niveau erreicht und sind sowohl Vorreiter unserer Branche als auch in unserer Heimatregion. Wir haben gezeigt, wie ernst wir es meinen. Jede weitere Entwicklung braucht Zeit. Deshalb empfinde ich den Zweijahresrhythmus als angemessen.

Bernd Wehming: Die zwei Jahre seit dem letzten Nachhaltigkeitsbericht waren außerdem wichtig, um uns noch einmal eingehend mit unseren wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen zu befassen. Der Dialog mit unseren internen und externen Stakeholdern führte in dieser Zeit zu wichtigen neuen Impulsen. Wir sehen seither noch klarer, in welche Richtung die nachhaltige Entwicklung unseres Unternehmens zukünftig gehen wird und welchen Ansprüchen wir uns stellen wollen …

Dirk Röse: … womit Sie sicher auf den Titel des Berichts anspielen: „Erwartungen erfüllen, Grenzen ermessen“. Geht es dabei um eine Abwägung zwischen Zielen, die weiterverfolgt bzw. nicht mehr verfolgt werden?

Bernd Wehming: Ganz genau. Wir haben unsere nachhaltige Entwicklung in einem sehr umfassenden Sinne verstanden und vorangebracht. Aber nicht alles ist machbar, nicht alles ist notwendig. Es galt tatsächlich noch einmal klug abzuwägen, worauf wir uns zukünftig fokussieren wollen.

 

Dirk Röse: Es geht zum einen darum, bestimmte Erwartungen zu erfüllen.

Moritz Böcking: Aus gutem Grund. Zumindest in Europa zeichnet sich in der politischen Landschaft immer stärker ab, dass die Nutzung von Torf im Produktionsgartenbau begrenzt werden soll. Deshalb erwartet man von uns weitere Fortschritte bei der Herstellung und dem Einsatz von alternativen Rohstoffen in unseren Substraten. Unserem Ziel, bis Ende 2020 den Anteil alternativer Substratausgangsstoffe auf 15 Volumenprozent der jährlichen Gesamtproduktionsmenge zu erhöhen, sind wir schon sehr nah gekommen. Im Rahmen der strategischen Planung bis zum Jahr 2025 streben wir nun einen Anteil von 30 Volumenprozent an. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg.

Bernd Wehming: Gleichzeitig mangelt es nach wie vor an geeigneten alternativen Ausgangsstoffen, die in der notwendigen Qualität und auch in den benötigten Mengen zur Verfügung stehen, um den Einsatz von Torf im globalen oder wenigstens zunächst im europäischen Maßstab zu reduzieren.

Moritz Böcking: Die Zukunft des internationalen Produktionsgartenbaus ist an einem zentralen Punkt offen: Torfkultursubstrate haben eine elementare Funktion im Wachstumsprozess einer Kulturpflanze jahrzehntelang optimal besetzt. Diese gilt es durch alternative Ausgangsstoffe ebenso zuverlässig auszufüllen oder durch völlig neue Kulturmethoden zu ersetzen.

 

Dirk Röse: Wie geht Klasmann-Deilmann mit dieser Herausforderung um? Verstanden habe ich, dass in zunehmendem Maße alternative Substratausgangsstoffe eingesetzt werden.

Moritz Böcking: Die Einsatzmöglichkeiten für die gut etablierten alternativen Ausgangsstoffe wie Holzfasern, Grünkompost, Kokos und Perlite werden durch unsere Fachleute kontinuierlich erweitert. Außerdem haben wir unsere Forschungsaktivitäten noch einmal verstärkt, die auf völlig neue Substratausgangsstoffe und Kultursysteme zielen. Unser Bereich Forschung & Entwicklung sowie der seit einigen Jahren sehr aktive Inkubator suchen in der gebotenen Breite und Unvoreingenommenheit nach neuen Ausgangsstoffen, Kulturmethoden und anderen Innovationen.

Bernd Wehming: Der damit verbundene finanzielle und personelle Aufwand ist für ein mittelständisch geprägtes Unternehmen ausgesprochen hoch. Wir müssen berücksichtigen, dass längst nicht alle Forschungsprojekte zu den erhofften Ergebnissen führen. Nur in seltenen Fällen ergeben sich wirklich nennenswerte positive Effekte aus Forschungsvorhaben. Deshalb sind an dieser Stelle Fördermaßnahmen jener Länder wünschenswert, die den Ausstieg aus der Torfnutzung voranbringen – oder auch auf EU-Ebene. Entsprechende Vorschläge unterbreiten wir über unseren Branchenverband bzw. im direkten Dialog mit Vertretern der Politik.

Geschäftsführung derKlasmann Deilmann GmbH: Moritz Böcking (links) and Bernd Wehming (rechts)

Dirk Röse: Können Sie mir denn ein erfolgreiches Forschungsprojekt der letzten Jahre nennen, das zu echten Fortschritten geführt hat?

Moritz Böcking: In diesem Sinne herausragend ist unser langjähriges Projekt zur Torfmooskultivierung. Ursprüngliches Ziel war ja die Entwicklung eines im besten Sinne nachhaltigen Substratausgangsstoffes. Doch das Projekt führte zunächst zu der Erkenntnis, dass sich Torfmoose zwar hervorragend als Rohstoff für die Substratproduktion eignen, aber gegenwärtig nicht wirtschaftlich angebaut werden können. Zu hohe Flächenpreise, geringe Produktivität, mangelnde Förderungsmöglichkeiten, unzureichende Erntetechniken etc. – all das sind Gründe, weshalb wir dieses Ziel bis auf weiteres nicht weiterverfolgen. Gleichzeitig aber führte das Projekt zu unerwartet positiven Ergebnissen bei der Torfmooskultur für eine gezielte Hochmoorentwicklung.

Bernd Wehming: Inzwischen steht fest, dass die durch uns und unsere Partner entwickelte Methode zur Torfmooskultivierung entscheidende Fortschritte für die Renaturierung ehemaliger Gewinnungsflächen birgt. Deshalb bringen wir gegenwärtig ein damit verbundenes Geschäftsmodell voran, das maßgeblich dazu beitragen kann, Treibhausgase aus Torfflächen zu reduzieren und lebende Hochmoore zu schaffen.

 

Dirk Röse: Treibhausgase sind ein wichtiges Stichwort. Die Klimabilanz der Klasmann-Deilmann-Gruppe für das Jahr 2018 fällt höher aus als die Klimabilanz 2016.

Moritz Böcking: Es gab einen Zielkonflikt zwischen der Senkung von Emissionen und dem wirtschaftlichen Wachstum, den wir als Herausforderung bewusst in Kauf genommen haben.

Bernd Wehming: Wir sind sehr zufrieden, dass die Emissionen auf Produktebene im selben Zeitraum gesunken sind: Die Emissionen pro Kubikmeter Substrat gingen von 59,40 kg im Jahr 2016 auf 58,73 kg CO2e in 2018 zurück. Das verdanken wir vor allem dem vermehrten Einsatz alternativer Ausgangsstoffe.

Moritz Böcking: Es geht ja immer um das Produkt, das wir an unsere Kunden weitergeben. Und auf Produktebene sinken unsere Emissionen, weil wir genau wissen, wie wir diese Entwicklung steuern können. Deshalb wird eine Klimabilanz auf Produktebene zukünftig eine wesentliche Kennzahl für unsere nachhaltige Entwicklung sein.

Bernd Wehming: Wir nehmen die durch unser Unternehmen verursachten Emissionen sehr ernst. Jeweils etwa ein Drittel stammt aus der Torfnutzung (31 %) und aus den weltweiten Transporten (36 %). Hinzu kommen Energieverbräuche (10 %) und eingekaufte Materialien (23 %). Wir verstehen dies als vorrangigen Handlungsauftrag und haben uns mit verschiedenen Szenarien befasst, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Entschieden haben wir uns jetzt für ein Modell, mit dem sich Klimaeffekte aus Torfnutzung und Transporten reduzieren lassen.

Moritz Böcking: In den kommenden Jahren werden wir stark in die Dezentralisierung unserer Produktion investieren. Wir rücken mit unseren Werken näher an die Kunden in großen Märkten heran, werden dort auf lokal verfügbare, nachwachsende und nachhaltige Rohstoffe zurückgreifen und im selben Zuge Transportwege deutlich verringern.

Bernd Wehming: Hintergrund dieser Entwicklung ist auch eine weiter verstärkte Bewertung aller anstehenden Investitionen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten.

 

Dirk Röse: Worin bestehen dann die Grenzen der nachhaltigen Entwicklung?

Moritz Böcking: Die bis hierher genannten Maßnahmen sind eng auf unser Kerngeschäft bezogen und im Sinne der Global Reporting Initiative (GRI) wesentlich für unsere nachhaltige Entwicklung. Was genau für uns von zentraler Bedeutung ist und was nicht, haben wir im Zuge einer Wesentlichkeitsanalyse neu bewertet.

Bernd Wehming: Anlass war die Einsicht, dass wir uns zusehends mit zeitintensiven Aufgaben befassten, die unser schlank organisiertes Unternehmen an personelle Grenzen führten, ohne unsere nachhaltige Entwicklung jedoch nennenswert zu begünstigen. In der Folge haben wir schärfere Trennlinien zwischen den für uns wesentlichen und weniger bzw. nicht wesentlichen Themen gezogen. Zukünftig konzentrieren wir uns wieder auf jene Bereiche, bei denen die größten Erwartungen an uns herangetragen werden und die nachhaltige Potenziale freisetzen.

Moritz Böcking: Und das sind die Entwicklung alternativer Ausgangsstoffe und Kultursysteme, die Minderung von Emissionen aus Torfgewinnung und Transporten, die Wiederherrichtung ehemaliger Gewinnungsflächen und natürlich die Bereitstellung nachwachsender Rohstoffe zur Gewinnung erneuerbarer Energien.

 

Dirk Röse: Die gedruckte Version ist diesmal nur halb so umfangreich wie der Bericht aus dem Jahr 2016.

Moritz Böcking: Ganz bewusst wollten wir diesmal eine Kurzfassung mit den wichtigsten Fakten und Kennzahlen erstellen – eine Version, sowohl digital als auch gedruckt zur Verfügung steht. Es wird dem Leser also einfach gemacht, denn die Inhalte sind in kurze Abschnitte eingeteilt. Zum Lesen kann man überall einsteigen, aussteigen oder umsteigen.

Bernd Wehming: Es gibt außerdem eine ausführliche Version, die noch umfangreicher als der 2016er Bericht ist. Der lange Nachhaltigkeitsbericht entspricht den GRI-Standards, folgt also den weltweit anerkannten Richtlinien der Global Reporting Initiative. Und in den beiden letzten Jahren hat sich auch an dieser Stelle etwas getan – wir berücksichtigen jetzt noch mehr Richtlinien und sind z. B. in der Berichterstattung zu Personalthemen ausführlicher geworden.

Moritz Böcking: Ich finde es gut, dass wir uns an die Richtlinien halten, denn damit bewegt sich unser Bericht auf einem international anerkannten Niveau. Deutlich zu erkennen ist der Fokus auf unsere wesentlichen Themen – wir berichten vor allem über das, was man von uns erwartet. Schwerpunkte bilden die Kapitel über die Torfgewinnung und den Einsatz alternativer Substratausgangsstoffe sowie die Kapitel über die Klimabilanz und über die Renaturierung.

 

Dirk Röse: Vielen Dank für das Interview.